Sprachlos

Ja, ich bin sprachlos. Ich mit x Aus- und Weiterbildungen in Rhetorik und Kommunikation, stehe kurz vor der Kapitulation und verstumme. Weder Methoden der Gewaltfreien Kommunikation, Miltons Metamodell der Sprache, noch Phöms Schlagfertigkeitstechniken helfen weiter. Ich bin ratlos. Es scheint als wäre alles sinnlos, nutzlos. Es ist als redete man mit einer Wand. Entsprechend übellaunig bin ich dieser Tage. Nicht weil mir jemand zu nahe trat, sondern aus schierer Verzweiflung.

Und wie es scheint, bin ich damit nicht der einzige. Selbst aus Fach- und Regierungskreisen sind Stimmen der Resignation zu vernehmen. Verzweifelte Appelle, sich doch um Himmels Willen endlich impfen zu lassen, Unverständnis und Wut von Ärzten und Pflegern. Die Verzweiflung ist zu spüren. Auch im kleinen Familien- und Freundeskreis. Die Emotionslage pendelt im Stundentakt zwischen „Schnauze voll“, Wut, Hoffnungs- und Hilflosigkeit. Ein Karussell der Gefühle strapaziert unsere Nerven.

Meldungen über neue Mutationen, Massnahmen, 3G, 2G, 2G+, Impfpflicht oder nicht, sich widersprechende Expertenmeinungen, schwachsinnige Forderungen, steigende Fallzahlen und überfüllte Spitäler mit erschöpftem Personal nagen am Nervenkostüm. Quälend langsam die Politik. Ein Kakophonie ungefragter Möchtegern-Experten. Kein Wunder wird der Ton gehässiger. Ich merke es an mir selber.

Es ist offensichtlich. Diese Pandemie ist mehr als ein fieser Virus. Sie besitzt das Potential zur Zerstörung, weit über unsere Gesundheit hinaus. Schonungslos deckt sie unsere Schwächen und Versäumnisse auf. Es gibt kein Entrinnen. Die Seuche trifft Menschen so unterschiedlich, wie Länder. 100 Millionen zusätzlich (!) verarmte Kinder, 160 Millionen ohne oder kaum (mehr) Schulbildung, Impfstoffe nur für die Reichen, Marode Gesundheitssysteme die zusammenbrechen, Angehörige auf der Suche nach Sauerstoff, Milliardenhilfen für die Wirtschaft, Gewaltsame Demonstrationen, Überwachung und Kontrolle in China…. Selbst wenn der Käfer morgen verschwinden würde (was er nicht tun wird), werden wir noch lange an den Folgen leiden. Auch das in unterschiedlichen Masse. Und als ob das nicht schon genug wäre, sitzt uns auch noch die Erderwärmung und der Niedergang der Demokratien, allen voran der USA, im Nacken. Lustig ist anders.

Und ob Corona oder Klima, die Reaktionen darauf sind vergleichbar und reichen von Panik bis Verleugnung. Doch wenn diese Verhaltensweisen auch von Psycho-, Sozio- und Politologen noch so wortreich erklärt werden können, helfen sie nicht über die Krise hinweg. Ausser einem stummen Nicken und scheuen Aha, sind diese Deutungsversuche wenig hilfreich. Zumindest solange, wie sie in der Politik nicht ankommen. Aus dieser Misere raus kommen wir nur gemeinsam. Und damit drohen wir zu scheitern. Denn es fehlt das Gemeinsame.

Zwar sitzen wir alle im gleichen Boot, doch rudern die einen vor- und die andern rückwärts, nippen andere am Prosecco auf dem Sonnendeck, während die Mannschaft Kohle schippt (um das Bild der Titanic zu bemühen). Derweil streiten sich die Offiziere auf der Brücke über den Kurs. Der Eisberg lässt sich davon wenig beeindrucken. Das Ende kennen wir. Rose wird hundert Jahre alt, während Jack von der 3. Klasse, noch in der Nacht des Untergangs absäuft. Soweit nichts Neues unter der Sonne. Krisen trafen und treffen Oben und Unten seit je unterschiedlich. Damit mussten wir uns zwangsläufig arrangieren – es ist seit Jahrtausenden bittere Realität. Weit gefährlicher als das dünkt mich aber die derzeit grassierende babylonische Sprachverwirrung. Als lebten ganze Sippen auf verschiedenen Planeten ist eine gemeinsame Verständigung, selbst ein gemeinsames Verständnis, kaum mehr möglich. Wer den offiziellen Zahlen misstraut, meint er/sie werde nur noch belogen und sich ausschliesslich über zwielichtige Kanäle informiert, ist nur noch schwer erreichbar. Wo von verschiedenen Realitäten ausgegangen wird und gemeinsame Grundannahmen fehlen (z. B. wissenschaftliche Fakten), wird eine Diskussion unmöglich. Von gemeinsamen Lösungen ganz zu schweigen. Das Resultat: Sprachlosigkeit, Wut und/oder Repression. Selbstredend, dass sich damit destruktive Kräfte profilieren. Die unsäglich zynische Pandemiebewirtschaftung der $VP dürfte uns allen geläufig sein.

Doch zurück zu meiner Sprachlosigkeit. Diese verschwindet weder durch gut gemeinte Ratschläge zur Mässigung noch dem Appell die Parallelwelt doch bitte auch zu verstehen. Das kommt mir vor, als verlange mein Mathelehrer von mir, dass 2+ 2 fünf ergibt. Gefühlt das erste mal in meinen bald 70 Jahren, verstumme ich. Die Wut weicht einer stillen Resignation. Und ich glaube zu spüren, dass es nicht nur mir so ergeht. Aber wie kommen wir da raus? Denn Scheitern ist schlicht keine Option. Die Gefahr dass wir es trotzdem tun, ist aber real und war selten so nah. Zynikern mag das egal sein. Diese kümmern sich so oder so nur um sich. Uns Übrigen kann es das nicht. Denn wir sind es, die wegen überfüllten Spitälern Gefahr laufen zu sterben, keine adäquate Behandlung zu bekommen oder monatelang auf eine Operation warten müssen. Wir sind es, die Kinder ungeschützt einem Risiko aussetzen, in Quarantäne müssen und Gefahr laufen den Job zu verlieren. Jede Verlängerung der Krise öffnet die Schere zwischen Gewinnern und Verlierern noch weiter. Diese Spaltung ist real und muss auch nicht herbeigeredet werden, sie ist schon da. Da aber eine Lösung auf Basis eines ausgehandelten Kompromisses, die eine Debatte voraussetzen würde, ausser Reichweite liegt, wird die Krise andauern und sich verschärfen – inklusive Kollateralschäden.

Im Wissen darum, mit Wänden zu sprechen verzichte ich hier auf weitere Impfappelle und das Einfordern von Solidarität. Ebenso nutzlos der Appell an die Vernunft. Wände haben weder diese, noch Ohren. Ausserdem lesen mich die Gemeinten hier so oder so nicht. Als traurige Alternative bleibt der Gesellschaft wohl nur der Zwang und die Ausgrenzung der Unwilligen. In einer Gesellschaft, zumal noch einer Demokratie, kann die Mehrheit auf Dauer nicht in Geiselhaft einer Minderheit gehalten werden. Wenn Worte nicht mehr durchdringen, muss die Kommunikation auf einer anderen Ebene stattfinden. Worte (oder der Inhalt einer Nachricht) machen gerade mal mickrige 7% aus. Der grosse Rest ist nonverbal. Und da man gem. Paul Watzlawick „nicht, nicht kommunizieren kann“, gewinnen Gesten, Taten, Ton, Zeit und Ort eine noch grössere Bedeutung. Das hiesse dann, schmerzhafte Konsequenzen statt Worte. „Wer nicht hören will muss fühlen“, wusste schon meine Grossmutter. Bitter, aber nötig. Und lieber jetzt, als zu spät.

Leider ist zu befürchten, dass auch das zu spät kommt. Eine Pandemie erfordert rasches und konsequentes Handeln. Das fehlt seit mind. 1 1/2 Jahren. Statt die Pandemie zu bekämpfen wird versucht die Wirtschaft und den Staatshaushalt zu retten. Die Kosten tragen wir. Mit Infektionen, Unsicherheit, dem Tod, und einem kollabierenden Gesundheitssystem. Laut gesagt wird das natürlich nicht. Ebensowenig wie vor den langfristigen Konsequenzen dieser Politik – Vertrauensverlust – gewarnt werden. Gedroht wird dafür mit der Horrorvision einer Triage. Quasi einer Katastrophe mit Ansage. Sprachlos schaut man den Ärzten und Pflegern auf den Intensivstationen zu und hofft der Hurrikan verschwinde von alleine vom Radar – im Wissen, dass das nicht passiert. Gerade als ob dieser Sturm aus dem Nichts käme, wird vergessen, dass sich dieser nur deshalb nähert, weil wir zu wenig und zu spät reagierten, sich zu viele gegen das Impfen stellen, die Politik die Prioritäten von der Wirtschaft diktieren und sich von einer lauten Minderheit gängeln lässt. Auch hier fehlen mir die Worte. Kann man wirklich so zynisch sein? Blöde Frage. Man kann.

Bleibt die Frage nach einem Ausweg. Ist ein Systemkollaps von massgebenden Kreisen, vielleicht sogar gewollt? Da ich keine Antworten habe, bleibt nur die Vermutung.

Frohe Festtage.

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