
Wer kennt das Gefühl nicht? Man erwartet etwas ungeduldig und es wird und wird nicht. Den 18ten Geburtstag, die geplante Weltreise oder das Trump und die Pandemie endlich verschwinden. Es tut beinahe körperlich weh. Und ist es dann endlich soweit, muss man feststellen, dass die Vorfreude oft grösser war, als die Freude selbst. Denn, ist eine Hürde genommen, lauert bereits die nächste um die Ecke.
Trumps Abgang ist uns gewiss, der 20. Januar rückt näher. Wie dieser aussieht, darüber wird gerade heftig spekuliert. Vorsichtshalber vernageln Bauarbeiter schon mal die Fenster von Regierungsgebäuden und das FBI warnt vor bewaffneten rechtsextremen Horden. 15‘000 Nationalgardisten sind in Washington eingerückt. Vorausgesetzt die Nationalgarde ist nicht korrumpiert (in diesen Tagen weiss man nie), dürfe Jo Biden der 46igste Präsident der Vereinigten Staaten sein und Trump auf einem Golfplatz, im Gefängnis oder bei seinem Zwilling in Brasilien. Auch wenn sein Abgang zäh ist, er ist in Sichtweite. Aufatmen wird nicht nur halb Amerika und die Welt, auch dem Klima wird es nicht schaden. Wir dürfen uns also erst mal freuen.
Wie lange diese Freude anhält, steht allerdings in den Sternen. Ernst zu nehmende Stimmen warnen bereits vor Terroranschlägen durch die unzähligen, bewaffneten Milizen und 15 Millionen christliche Fanatiker beschwören das Armageddon. Ob hier der Teufel an die Wand gemalt wird, wissen wir vielleicht in einem Jahr. Bis dahin hoffen wir das Beste und machen uns auf das Schlimmste gefasst. Hoffnung ist ein zäher Bursche, ermüdend ist diese wahr zu machen.
Weit ermüdender als der Abgang des Verlierers im Weissen Haus auf der anderen Seite des Atlantiks, ist das Aussitzen der Pandemie hier. Ich wähle „aussitzen“ ganz bewusst, denn anders lassen sich die zögerlichen Massnahmen kaum umschreiben. Gouverner c’est prévoir heisst es so schön – also „Regieren heisst Vorausschauen“. In den letzten Wochen und Monaten glich dies aber eher einen ReAgieren und einen ZUschauen. „Die Lage ist ernst, wir beobachten mit Sorge“ des Bundesrates und sein meist spätes Zaudern und Zögern, lässt nicht nur mich ratlos zurück. Fakt ist: „Wer zu spät kommt, bestraft das Leben“ – das wusste schon Gorbatschow und behielt Recht. Denn leider greift das „Prinzip Hoffnung“ bei einem Virus nicht. Der hält sich zäh und kümmert sich nicht um unsere Befindlichkeiten.
Zäh halten sich nicht nur Viren, egal ob sie Trump oder Covid heissen. Noch zäher erweist sich der Irrsinn in Gesellschaft und Politikbetrieb. Da sammelt eine unheilige Allianz ominöser „Freunden der Verfassung“ (aka Coronarebellen), zusammen mit JGLP und Jungen Grünen 140‘000 Unterschriften gegen ein Gesetz, das bereits in Kraft ist (Covid-Gesetz) welches uns vor den Folgen der Seuche schützen soll. Ebenso unheilig das Referendum von $VP/swissoil und Teilen von Fridays4Future gegen das dringend notwendige CO2 Gesetz, das den Klimawandel endlich ausbremsen soll (nicht perfekt – aber besser den Spatz in der Hand, als gar nichts). Gleich verlogen die Allianz der Bauern-Agrochemie-Lobby gegen sauberes Trinkwasser, die mit ihren Plakaten bereits die ersten Bauernhöfe verunzieren. Machiavellisch die $VP, welche Alain Berset entmachten möchte um von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Da sind die Störmanövern der gleichen Partei gegen jegliche Pandemiemassnahmen und ihre Weigerung betroffene Branchen und Betriebe angemessen zu unterstützen, fast schon eine Randnotiz. Ideologische Scheuklappen (Schulden sind böse) und naive Träumereien (entweder alles oder nichts) sind zäh. In Krisen sind sie nicht nur lächerlich, sie sind ausgesprochen gefährlich. So endet der verbohrte Sparreflex für viele Menschen und Firmen im wahrsten Sinne des Wortes tödlich. Egal ob Covid, Trinkwasser oder Klima – Hauptsache ich Rette meine Pfründe oder Überzeugungen. Verhaltensmuster sind so zäh, wie Viren und kaum auszurotten.
Wie fast alles im Leben hat aber auch das Zähe eine gute und eine schlechte Seite. Schützt uns eine feste (zähe) Schuhsohle vor rostigen Nägeln, so beissen wir uns bei zähem Fleisch die Zähne aus. Und hilft sie uns beim Dranbleiben und Durchhalten in schwierigen Situationen (wie z. B. das Durchstehen dieser Pandemie), so steht sie uns beim zähen Festhalten an alten Verhaltensmustern im Wege. Fällt uns die Unterscheidung zwischen Schuhsohle und Fleisch leicht, ist diese dafür zwischen vernünftigem Dranbleiben und sturem Festhalten umso schwieriger. Das „cui bono“ (also wer hat einen Vorteil davon) hilft uns auch hier.