Bewusstsein und bla bla

Die Pausen zwischen meinen Blogs werden länger. Nicht weil es nichts zu kommentieren gäbe – im Gegenteil. Noch selten war der Bedarf an Klärung und Debatte so gross, wie gerade jetzt. Krisen und beklagenswerte Thema häufen sich und verschwindet eines aus den Schlagzeilen, macht sich ein halbes Dutzend neue breit. Bei aller Wachheit, Neugier und Interesse: Es ist zu viel. Was vor allem fehlt, ist die Zeit zur Reflexion und zur Einordnung der Ereignisse. Das einzige was wächst, ist das Bewusstsein über die eigene Ohnmacht. Endlospandemiebedingt pendelt der Gemütszustand dann zwischen müde, wütend (auf was und wen auch immer) und Resignation. Schlimmer macht dieses nur das Bewusstsein, dass im Hinterhalt weit grössere Krisen lauern. Ein Alarm löst den nächsten ab. Daueralarm wird zum Normalzustand. Fieber zum neuen Normal.

Die Befürchtung, dass der Patient in diesem Zustand irgendwann kollabiert, kann jeder Feld Wald und Wiesen Arzt, ohne Konsultation des Diagnosehandbuchs, bestätigen. Eine Befürchtung die auch ich teile. Was aber bringt mir dieses Problem-Bewusstsein, ausser Sorgen, schlaflose Nächte und zynische Kommentare auf den Sozialen Medien? Vielleicht ein Erkenntnisgewinn? Z. B. dass sich unsere Gesellschaft in einer Sackgasse befindet und keinen Platz zum Wenden findet? Wir so oder so am Arsch sind? Oder wir mehr dunkles Mittelalter mit uns schleppen, als uns lieb und bewusst ist? Was als Erkenntnis bleibt, führt bei mir gerade zu einer tiefen Verunsicherung. War alles, was ich bisher glaubte falsch? Liege ich gar falsch?

Ich war immer stolz auf meine Belesenheit und das „richtige“ Bewusstsein. Das Bewusstsein auf der richtigen Seite der Barrikade zu stehen. Aufgeklärt. Progressiv. Offen und zumindest der meisten meiner Vorurteile bewusst. Und nun muss ich feststellen, dass mich das mehr belastet als mir wirklich weiter hilft. Alles Wissen dieser Welt nützt nichts, wenn es ins Leere fällt. Auch eine noch so grosse Bubble (früher hiess es mal Milieu), in der man sich wohl und geborgen fühlt, täuscht irgendwann nicht mehr darüber hinweg, dass sich etwas bewusst zu sein, allein noch nichts bewirkt. Zu Deutsch: „Richtiges“ Bewusstsein beruhigt zwar das „schlechte“, Gewissen, ändert aber nichts an den Tatsachen. Wissen ohne Macht ist Ohnmacht. Noch selten war mir das so bewusst, wie gerade heute.

Soweit zur Kränkung meiner narzisstischen Seele. Andererseits heisst Bedeutungslosigkeit auch Freiheit. Das Privileg die Wahrheit auszusprechen, hatte nicht umsonst der Hofnarr. Es gibt durchaus miesere Rollen – immerhin blieb sein Kopf auch dann auf seinem Hals, wenn er unangenehme Wahrheiten aussprach. Auch wenn ich nicht über die schauspielerischen Fähigkeiten eines Leonardo Di Caprio verfüge, reichen meine doch, die Ruhe stören. Eine Rolle die mir liegt. Und diese werde ich auch weiterhin spielen. Vielleicht braucht es auch einfach mehr Narren. Laut Volksmund sind es diese, die Kinder und der Wein, aus denen die Wahrheit spricht. Mit Wein und Narr kann ich dienen. Das Kind in mir wird dafür bei Schokolade schwach.

Gerade poppen die Hochrechnungen zum Covid-Gesetz rein und besänftigen mein erhitztes Gemüt. Eine Schlacht ist geschlagen und es bleibt alles beim Alten. Denn entgegen der verlogenen Spalterpropaganda, des durch Milliardäre finanzierten Nein-Lagers, wird morgen weder die Diktatur errichtet noch jeder und jedem eine Spritze verpasst. Es bleibt einfach, wie es ist. Der Bundesrat wird sich weiter durch die Krise wursteln. Einmal diesen und einmal jenen ein Stöckchen hinwerfen, während das Virus elegant darüber springt. Irgendwann wird so jede:r geimpft, genesen oder gestorben sein – versprochen. Die gute Nachricht: Covid ist zum Glück nur ein Trainingscamp. Ein Übungsfeld quasi. Ausserdem lenkt es schon fast idealtypisch von den wirklichen Herausforderungen ab. Zwar sind auch diese längst benannt und bekannt, werden aber eher dazu benutzt hehre Ziele zum Machterhalt, als handfeste Realpolitik zu produzieren. Jede:r (ausser für ein paar Ewiggestrige), der/die auch morgen noch gewählt werden will, ist deshalb grün, für das 1,5 Grad Ziel und Innovationen. Und selbstverständlich für Wachstum. Denn ohne Wachstum keine Zukunft, bzw. keine Wählerstimmen. Dass sich dies widerspricht, fällt niemandem auf, oder wird verschwiegen. Eine Zukunft mit weniger, ist schlicht nicht vorstellbar. Weniger heisst schlicht und einfach: Krise. Deshalb sollen es Tesla, Photovoltaik und Green Fuel richten. Mehr Innovation verspricht mehr von allem. Wohlstand, Profite, Arbeitsplätze und Lebensstandard. Und da die Gefahr besteht, dass doch das eine oder andere verboten oder teurer wird, noch schnell einen Flug auf die Malediven buchen, bevor sie in den steigenden Fluten versinken, zur Profitmaximierung noch schnell eine billige Ölheizung in den Keller schrauben oder zur Beruhigung des schlechten Gewissens einen Ökotrek auf den Kilimandscharo machen. Egal und wie auch immer, geht in China wöchentlich ein neues Kohlekraftwerk ans Netz, plant Frankreich munter weitere Atomkraftwerke, während die Messstation auf dem Mount Mauna Loa Jahr für Jahr mehr CO2 in der Atmosphäre misst. Klimapolitik ist gut für Konferenzen, Parteiprogramme und Wahlkampfreden, aber schlecht für die Tagespolitik. Wähler mögen weder höhere Preise noch Verbote. Wähler mögen eine goldene Zukunft. Falls diese grün sei soll, sei sie halt grün. Wenn man scheitert, hat man ja genügend Schuldige zur Hand. Das erwähnte China, die unwilligen Wähler oder die Fehlprognosen der Wissenschaft. Und wie die Klimakrise gemanagt bzw. missbraucht wird, geht es bei der Artenvielfalt , der Migration, der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich usw. Lösungen werden in die Zukunft geschoben, während die Tagesgeschäfte munter weiter brummen. Treffender als Greta Thunberg kann man es kaum formulieren: Bla bla bla bla.

Male ich wieder mal zu schwarz? Ich fürchte nein. Ich gebe lediglich Beobachtungen weiter. Das mag schmerzen, ist aber leider die Realität. Kurz gesagt: Zwischen (Problem)Bewusstsein und Sein öffnen sich Abgründe. Wären diese so leicht zu überwinden, wie die Massnahmenkrise mit dem Ja zum Covid-Gesetz, könnten wir optimistisch in die Zukunft schauen. Immerhin wurde in Zürich das Energiegesetz angenommen – ein Kerzchen in der Dunkelheit. Ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist, wird diese zeigen. Dummerweise entzieht sich diese jeder Prognose. Derweilen mache ich weiter. Dazu gehört nebst Ruhestörung und einem geschärften Bewusstsein auch eine Photovoltaikanlage auf meinem Haus. Ohne Tat bleiben Worte leer. Bla bla eben.

Nebelpetarden

Mein langes Schweigen hat einen Grund. Ich ärgere mich seit Wochen grün und blau und meine Blogbeiträge verwandelten sich zu Müllkippen. Fünf Entwürfe habe ich deshalb wieder gelöscht. Aber wie besser machen? Ein Patentrezept fehlt mir noch. Trotzdem wage ich einen sechsten Versuch, mit einem Beitrag über eine Kriegslist, wie sie schon Sunzi, ein chinesischer Stratege und Philosoph, vor 2500 Jahren beschrieben hat – das Ablenkungsmanöver bez. das Verschleiern und das Werfen von Nebelpetarden. Eine zur Zeit im Übermass zu beobachtende Taktik. Ob es am nebligen Herbst liegt, kann ich nicht sagen.

Nehmen wir das in den letzten Wochen strapazierte Thema Blackout, dass uns offensichtlich für kommende Stromlücken sensibilisieren soll. Tagelang waren die Zeitungen mit solchen Szenarien voll. Experten wurden bemüht, wildeste Szenarien in schwärzesten Farben gemalt. An forderster Front die $VP mit Bundesrat Permelin und NR Martullo-Blocher. Und dann noch die Elektrifizierung der Autos, die Stilllegung der Atomkraftwerke…. Wie soll das gehen? Eine albtraumhafte Zukunft. Die Nebelgranate wirkt. Die Angst vor kalten Wohnungen und stillstehenden Autos verunsichert und bereitet den Boden grüne „Träumereien“ und CO2-Abzocke zu verhindern und lenkt ab vor der Tatsache, dass diese (theoretische) Stromlücke in erster Linie das Werk der $VP-EU-Blockadepoltik ist – sprich der Verhinderung des Rahmenabkommens. Und weil eine Nebelpetarde nicht reicht, wirft die $VP eine zweite, mit der Forderung nach neuen Atomkraftwerken, hinterher. Wohlwissend, dass diese nie gebaut werden, weil viel zu teuer (man lese dazu das Interview des Axpo-Chefs vom 23.10.2021 in watson) und politisch chancenlos und einzig der Verhinderung griffiger CO2-Massnahmen im Auge haben. Wer über neue AKW’s nachdenkt und Angst vor kalten Wohnungen hat, meidet „grüne Experimente“ – so das Kalkül.

In den blumigen Worten Sunzis (aus die 36 chinesischen Strategeme) werden die sieben Verschleierungsstrategien (oder Kriegslisten) wie folgt beschrieben:

Den Himmel (also den Kaiser) täuschend das Meer überqueren
Handeln Sie so unauffällig und vertrauensvoll, dass Sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Tarnen Sie das eigentliche Ziel Ihrer Handlung, senden Sie falsche Signale und verfolgen Sie unsichtbare Ziele (Tarnkappenstrategem). Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Piratenschiff, das ein scheinbar harmloses Handelsschiff erspäht und entern will. Hinter der friedlichen Fassade jedoch verbergen sich ebenfalls Piraten, die sich für den Gegenangriff bereit machen.

Mit dem Messer eines anderen töten
Schonen Sie Ihre eigenen Kräfte und nutzen Sie lieber die eines Dritten, um Ihren Gegner zu besiegen. Suchen Sie sich einen Stellvertreter, der für Sie die Arbeit erledigt, machen Sie sich nicht verdächtig. Schaden Sie Ihrem Gegner nur indirekt oder ohne aktives Zutun. Besonders erfolgreich ist es, die Kraft des Gegners gegen ihn selbst zu richten.

Im Osten lärmen, im Westen angreifen
Nutzen Sie ein Ablenkungsmanöver, um die tatsächliche Absicht oder Ihr eigentliches Vorhaben zu verschleiern. Verwirren Sie Ihr Gegenüber, sodass dieses seine Deckung verlässt, sich neu orientieren muss und in diesem Moment angreifbar und verletzlich wird.

Sichtbar die (verbrannten) Holzstege wieder instand setzen, insgeheim (aber vor beendeter Reparatur) nach Chengcang (zu einem Angriff auf den Gegner) marschieren
Zeigen Sie offen Aktivitäten, während Sie an anderer Stelle heimlich agieren. Das lenkt den Gegner ab und er kann keinen Gegenschlag planen – denn sobald er realisiert, was passiert ist, ist es schon zu spät. Wenn Sie innerhalb des täglichen Geschäfts Betriebsamkeit vortäuschen, können Sie im Geheimen große Projekte planen, die erst von anderen bemerkt werden, wenn sie bereits abgeschlossen sind.

Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen
Wiegen Sie Ihr Gegenüber in Sicherheit und halten Sie das Vertrauen aufrecht. Insgeheim arbeiten Sie aber auf Ihr Ziel hin, ohne dass es bemerkt wird. So können Sie dann handeln, wenn der Gegner es nicht mehr erwartet.

Einen Weg (durch den Staat Yu) für einen Angriff gegen (dessen Nachbarstaat) Guo ausleihen (um danach ebenfalls Yu zu erobern)
Zwei Gegner, die ebenfalls miteinander in Konkurrenz stehen, erobern Sie am besten nacheinander. Sorgen Sie dafür, dass der erste Gegner dem zweiten schadet, ihn schwächt oder gar direkt besiegt und nutzen Sie die Tatsache aus, dass Sie einen gemeinsamen Konkurrenten haben.

(Ohne Veränderung der Fassade eines Hauses) die Tragbalken stehlen und die Stützpfosten austauschen
Greifen Sie Ihren Gegner so an, sodass seine inneren Strukturen mürbe werden, keinem Angriff mehr standhalten können und nach einer Weile zusammenbrechen. Sabotieren Sie seine Machtstrukturen wie Bündnisse, Partnerschaften oder auch innere Organisationsstrukturen und unterhöhlen Sie so die Stärken Ihres Gegners.

Wem kommt das eine oder andere bekannt vor? Wie ist es mit der (sinnlosen) Forderung nach Atomkraftwerken um griffige Klimamassnahmen zu sabotieren? Oder um ein anderes, aktuelles Beispiel zu bemühen – wie ist es mit der Nein-Parole der $VP zum Covid-Gesetz? Geht es ihr wirklich um die befürchtete Spaltung der Gesellschaft? Seit wann kümmert das diese Partei, die seit Jahrzehnten nichts unversucht lässt die Mehrheit gegen Minderheiten zu hetzen (Ausländer, Muslime, IV-Bezüger, Land gegen Stadt etc.)? Spontan fällt mir dazu nur die letzte Strategie (die Tragbalken stehlen und die Stützpfosten austauschen) ein. Zu Deutsch: Die Schwächung des Staates, die Untergrabung des Vertrauens in die Institutionen und das Sähen von Misstrauen in Wissenschaft und Politik(er).

Weitere Beispiele aus diesen Tagen:

Nehmen wir die Werbung der Credit Suisse für ihr Privat Banking. Wieso tut das die CS? Wieso Werbung im Fernsehen für einen verschwindend kleinen Kundenkreis (Privat Banking) in einem Massenmedium? Macht das Sinn? Aus der Sicht der angeschlagenen CS, die von Skandal zu Skandal schlitert und mit hunderten Millionen gebüsst wird, offenbar schon. Nichts ist schädlicher für eine Bank, als ein ramponiertes Vertrauen. Welche der sieben Ablenkungsmanöver hier zur Awendung hängt davon ab, was die Bankstrategen im Schilde führen. Die Vermutung, die Öffentlichkeit einzulullen, um weiterhin ungestört lusche Geschäfte zu machen, liegt nahe.

Selbstverständlich wird auch rund um die Pandemie gepokert. Da „verbünden“ sich scheinbar gegensätzlich politische Lager im Kampf um die Freiheit. Liberärtäre Superegoisten kuscheln mit Supernationalisten und Hakenkreuzträgern. Natur-, Globuli und Gesundheitsanbeter verbünden sich mit Überwachungsphobikern der (angeblich) linken Szene und treichelnde Bauernsöhne aus den Tälern der Innerschweiz geben den Rahmen für hysterisch Verschwörungsgläubige. In den Worten Sunzis: „Im Osten lärmen, im Westen angreifen“. Wie weit diese Strategie einem kranken Hirn entsprungen ist (Alt Right lässt grüssen), ist umstritten, liegt aber nahe. Steve Bannon, der ehemalige Trump Berater hat mehrmals dargelegt, wie die (neue) Rechte zur Macht gelangen will – durch die Zerstörung des Vertrauens in die Medien, die Wissenschaft und den Staat. Genau das, was diese Bewegung (möglicherweise sogar unbewusst) bewirkt. Bekannt sind einzig die direkten und indirekten Profiteure. Die politische Rechte mit ihrem Plan das Vertrauen in den Staat zu untergraben und ein paar Geschäftemacher, die ihre nutzlosen Pülverchen und Druckerzeugnisse an den Mann, bzw. Frau bringen. Nur um eines geht es garantiert nicht – um unsere Gesundheit nicht, um die angebliche Spaltung der Gesellschaft nicht und auch nicht um den drohenden Überwachungsstaat. So steht auf den Plakaten „Osten“, während im „Westen“ der Angriff auf die Festung geplant wird.

Das grösste aller Ablenkungsmanöver aber findet zur Zeit ausserhalb der Schweiz, in Glasgow statt. Die COP26 – die internationale Klimakonferenz. Dass in Verhandlungen gepokert wird, gehört zum Handwerk des Verhandelns. Dass der Öffentlichkeit aber seit Jahren und Jahrzehnten vorgelogen wird, man würde etwas gegen die sich anbahnende Klimakatastrophe unternehmen, gehört in den Bereich der strategischen Kriegsführung. Dabei verwenden die Akteure durchaus unterscheidliche Strategien an. Eine beliebte ist „Sichtbar die (verbrannten) Holzstege wieder instand setzen, insgeheim (aber vor beendeter Reparatur) nach Chengcang (zu einem Angriff auf den Gegner) marschieren„. Man tut so, als würde man etwas tun, tut aber das Gegenteil (z.B. wird immer noch deutliche mehr in fossile als in nachhaltige Energie investiert). Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Systemen. Während Diktaturen bemüht sind ihr Gesicht mit wohlklingenden Verlautbarungen gegen aussen zu wahren, oder mit dem Finger auf andere zu zeigen, setzen Demokratien auf das Mittel der Verwirrung. Dazu gehört, dass man die Wähler solange mit Daten füttert, dass niemand mehr weiss wovon eigentlich die Rede ist. Im Idealfall geben sich die „Konsumenten“ gegenseitig die Schuld und die Politik ist der lachende Dritte. Was du isst noch Fleisch, fährst noch einen Verbrenner, heizt noch mit Öl, fliegst auf die Malediwen und trägst Billgklamotten von Zalando? Pfui! Ziel erreicht – Manöver gelungen. Die Geschäfte können weiter laufen.

Wer Erfolg haben will, steigt also ins Nebelpetardengeschäft ein. Wachstumschancen intakt, Potential grenzenlos. Bleibt nur die Frage, wann sich der Nebel lichtet. Stürmische Zeiten könnten dabei helfen, Licht ins Dunkle zu bringen. Vielleicht hilft auch Sunzis Strategie „Etwas aus dem Nichts erzeugen“. Darauf zu hoffen, ist allerdings keine erfolgsversprechende Strategie.

Unbegreiflich

Letzte Woche traf ich mich wieder einmal mit meinen Freunden aus den Sturm- und Drangjahren. Der Zeit also, als wir die Welt noch aus der Angel heben und die proletarische Revolution ausrufen wollten. Symbolträchtig fand unser Männergipfel bei Pasta und Wein, an dem Ort statt, wo wir uns vor bald 50 Jahren, beim Verteilen von Flugblättern an die Arbeiterschaft der Sulzer Winterthur, die Füsse abfroren.

Sinnbildlich für die Veränderungen der letzten 50 Jahre steht das Restaurant und das Tössfeld-Quartier. Anstelle von Ghackets und Hörnli serviert man jetzt edle italienische Spezialitäten, und dort wo einst die Schlote qualmten, der Dampfhammer das Eisen bog und Hammerschläge durchs Quartier hallten, stehen heute hippe Einkaufszentren, werden Muskeln gestählt und Studenten unterrichtet. Velos und Kinderwagen haben Lastwagen und Gabelstapler von der Strasse verdrängt. Tischgespräch war, wie schon damals, der blamable Zustand unserer Welt. An Stoff fehlte es, nach fast zweijähriger coronabedingter Zwangspause, wahrhaft nicht. Und so mäandrierte die Diskussion zwischen KI (Künstliche Intelligenz), autonomen Fahren, Corona, Impfen, $VP, Klima und Afghanistan. In Dialektik geschult, fehlte natürlich eine gehörige Portion Selbstkritik und Reflexion dazu. So auch die hypothetische Frage, ob wir es denn besser gemacht hätten, was die Menschen gleichgültig und träge macht und wie man mit den permanenten Rückschlägen umgeht. Wie bleibt man Teil der Lösung und wird nicht selber zum Problem? Und ja, es ging auch um meinen Blog, der oft genug von pessimistischen Tönen durchzogen ist. Was also trägt ein Blog, der in oft sarkastischem Ton, die Versäumnisse in Gesellschaft und Politik anprangert, zur Lösung der beklagten Defizite bei?

Kurz gesagt: natürlich nichts. Der Anspruch wäre auch zu vermessen. Dazu braucht es a) mehr als 50-100 Leser:innen und b) reicht das Benennen von Problemen oder das blamieren von Akteuren kaum um etwas zu bewegen. Die andernorts bedauerte Feststellung, dass es heute an Visionen fehlt oder sämtliche Alternativen historisch gescheitert oder diskreditiert sind, schlägt sich durchaus auch hier und in meinem Denken nieder. Es weht quasi ein Hauch von Nihilismus (alles ist egal, nichts hat einen Wert, etc. ) durch die Gesellschaft. Aber weshalb? Warum fehlen das Engagement, bzw. Mehrheiten für überfällige Veränderungen? Beginnend mit dem Klima (CO2- Gesetz), der EU (Rahmenabkommen), der Altersvorsorge (Demographie), Pandemie (Impfpflicht) bis hin zur Migration (Afghanistan, Mittelmeer usw.), der $VP (ihre trumpeske Politik wird immer gefährlicher) oder der wachsenden Ungleichheit (hier und weltweit). Ist es Bequemlichkeit? Gleichgültigkeit? Sind wir Gefangene im Hamsterrad von Alltag, Beruf und Karriere? Lassen wir uns zu sehr manipulieren oder gar „kaufen“? Oder übertreiben wir hier am Tisch masslos und alles ist halb so schlimm? „Unbegreiflich“ für uns, unbegreiflich für viele.

Der Sommer war lausig, die Ferien bescheiden, wohin fährt ihr im Herbst? Das sind Themen die bewegen. Man kann sich das privilegierte Leben auch kaputt reden. Ist es das? Interessiert sich überhaupt noch irgendwer für etwas anderes, als sich selber. Oder ist es einfach immer das gleiche Grüppchen Stänkerer, das alles besser zu wissen glaubt? Fragen die auch hier schon breitgetreten wurden. Ohne wirklich beantwortet zu werden. Aber wer liefert uns diese? Politiker:innen? Philosoph:innen? Gurus? Die Wissenschaft? Alle – samt und sonders – auf die eine oder andere Weise diskreditiert. Das Vertrauen verloren. Ausverkauf der Ideen – der Wühltisch der Ideen ein einziges Durcheinander. Statt Schnäppchen landet Ramsch im Einkaufskorb. Nichts von Dauer, nichts von Wert. Das Resultat beklagenswert – es ist unbegreiflich.

An Theorien, weshalb es so ist, wie es ist – weshalb wir z. B. so träge und zögerlich auf Probleme reagieren – gibt es viele. Sind wir einfach wohlstandsverwöhnt – sprich zu faul – um den Finger aus dem Allerwertesten zu kriegen und an unserem Verhalten etwas zu ändern? Oder sind wir nicht einfach zu beschäftigt mit unserem Alltag, dem Beruf, der Familie oder Karriere? Fehlt es an drängenden Problemen oder werden diese nicht als solche wahrgenommen? Fehlen Vorbilder, Visionen und Ziele – oder fehlt einfach die Fantasie? Manche würden diese Fragen unbesehen mit Ja beantworten. Ich hüte mich davor. Die Welt ist zu komplex für einfache Antworten.

Zumindest an drängenden Problemen dürfte es nicht mangeln, sofern diese als solche überhaupt erkannt werden. Doch wie beim Arzt, beginnt die Heilung mit der Diagnose. Wie schwierig es ist, sich auf eine solche zu einigen, führt uns Corona vor Augen. Entsprechend wirr und diametral sind die Lösungsansätze. Einige leugnen sogar dessen Existenz und wittern eine Verschwörung von ganz ganz oben. Das Resultat ist eine endlose Pandemie. Ähnlich die Klimakrise. Ist es nur das Wetter das spinnt, oder sind wir schon mitten drin? Hat die Wissenschaft recht oder will uns der Staat nur abzocken? Sicher ist nur: Es fehlt sowohl ein gemeinsames Verständnis, als auch eine von allen anerkannte Methode. Wer aber (generell ) der Wissenschaft misstraut, ist umso anfälliger für Scharlatane und Manipulationsversuche. Die Trychlerumzüge der „Massvollen“ legen davon ein eindrückliches Zeugnis ab. Es scheint als wäre ein Krieg der verschiedenen Wahrheiten im Gange (bei Trump hiess es noch Alternative Fakten). In Wahrheit ist es ein Krieg gegen die Vernunft, d.h. die Aufklärung, Wissenschaft und Demokratie. Wer Lügen mit Fakten gleichstellt, verfolgt eine düstere Agenda, die nur im Aberglauben, Despotie und einer Form der Diktatur enden kann. Was unbegreiflich erscheint, bekommt so einen Sinn. Die „Aufklärung“ ist also noch lange nicht zu Ende. Um es mit Kants Worten zu sagen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. In diesem Sinne verstehe ich auch meinen Blog – er ist mein kleiner bescheidener Beitrag zur Aufklärung. Und so endete der Abend im Konsens und der Absicht, lieber Teil der Lösung, als des Problems zu sein.

Restart – Resignation oder Aufbruch

Insgesamt 66 Blogs habe ich zwischen April 2020 und Juni 2021 geschrieben. Man könnte sie auch als Krisen- oder Corona-Blog bezeichnen. Natürlich ging es nicht nur um die Pandemie und ihre Folgen. Oft war diese nur der Aufhänger für andere Aufreger und Krisen. Im Wissen um meinen nicht selten dystopischen Unterton (wir sind am Arsch), war ich auch immer wieder um hoffnungsvolle und versöhnliche Töne bemüht. Bis im Juni, als eine Mehrheit der Stimmberechtigten in ihrer Weisheit, das zahnlose CO2-Gesetz beerdigte, und Gift in ihrem Trinkwasser (man sieht es ja nicht) auch weiterhin cool fanden. Wo die Prioritäten im Jahre 2021 liegen, war somit klar gemacht. Das eigene Portmonee. Das war der Moment, wo ich eine Pause einlegte. Zum einen zum Selbstschutz, um euch vor meiner Wut, Ratlosigkeit und Enttäuschung zu schützen, zum andern um der drohenden Langeweile durch den ewig gleichen Sermon zu entkommen. Und natürlich auch um mir Gedanken über die Zukunft dieses Blogs zu machen. Diese Zeit habe ich genutzt.

Vorab die nüchterne Erkenntnis: Durch Pausen hält man den Lauf der Welt nicht auf.

Zwar reduzierte sich der mir selbst auferlegte Druck, wöchentlich ein Thema zu finden (wobei es meist umgekehrt war – die Themen fanden mich) und zu kommentieren, aber die Ereignisse liessen mich trotzdem nicht in Ruhe. Und davon gab und gibt es wahrlich genug. Zum Beispiel lag am 11. Juni (am Tag als ich beschloss zu pausieren) die Zahl der Corona-Inifzierten bei 394, heute am 12. August bei 2124 – also 5,4 mal höher. Die damalige Hoffnung dieser Seuche durch eine Impfung endlich Herr zu werden, hat sich somit in Luft aufgelöst – den Impfverweigerern sei Dank. Die Illusion mit dem Versenken des CO2-Gesetzes wäre das leidige Thema Klimakrise endlich erledigt, war ebenso ein Trugschluss. Die Waldbrände von Sibirien (aktuell 6 Millionen Hektar im Brand) über das Mittelmeer bis Kalifornien und die Sintfluten in Mitteleuropa können selbst von den hartnäckigsten Ignoranten nicht geleugnet werden – sollte man meinen. Weniger beachtet, aber nicht weniger tragisch, auch des Versagen des „Westens“ in Afghanistan, wo gerade die Frauen den Religioten der Taliban ans Messer geliefert werden. Die Aussetzung der Rückschiebung afghanischer Migranten in letzter Minute, hört sich dabei schon fast wie eine Erfolgsmeldung an. Da sind die 993 (allein 2021) ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer auch kaum mehr der Rede wert. Auch kaum zu reden gibt unsere Selbstdemontage in Europa. Dem weisen Ratschluss unseres Bundesrates sei Dank. Dank diesem sind wir von europäischen Forschungsprojekten (Horizon) ausgeschlossen (wer hat Wissenschaft und Forschung schon nötig) und bald werden wir wohl um Strom betteln müssen (fehlendes Stromabkommen). Dafür hat uns die $VP eine neues Feindbild beschert. Neu zieht diese tiefe Gräben um die Städte. Mit velofahrenden Luxussozialisten (vermutlich sind damit auch die Klimaforscher an der ETH gemeint) und Freunden streunender Wölfe (den diese Grünversifften ums Verrecken nicht zu Abschuss freigeben wollen) will das hart arbeitende Landvolk nichts (mehr) zu tun haben – sagt die Partei der Milliardäre. Dazu passt die gestrige Aussage meiner ehemaligen Nachbarin: „Die, die nicht ins Gymi gehen, sind die, die arbeiten.“ (Im Umkehrschluss: „Studierte“ hocken auf der faulen Haut). Die Wirkung der o.g. Parteiparole wäre somit belegt. Und während ich hier in die Tasten haue, trycheln die „Freunde der Seuche“ durch die Strassen Berns und sorgen für die Verlängerung der Pandemie und weitere Tote. Wie diese Auflistung zeigt: Es ist August wie Juni.

Was nun?

Zuerst ein paar Worte zu meinem Blog. Den Wochenrhythmus gibt es nicht mehr. Die Qualität leidet, wenn man zu sehr unter Schreibstress steht. Ausserdem wurde ich nicht pensioniert, um wieder im Hamsterrad des „Lieferns um jeden Preis“ zu landen. In Zukunft also erscheinen meine Beiträge, wenn ich das Gefühl habe etwas wäre wichtig genug um kommentiert zu werden. Damit gewinne ich auch mehr Zeit um mich mit dem jeweiligen Thema zu befassen. Ich bemühe mich aber weiterhin Texte kurz zu fassen. Zeit ist bekanntlich ein rares Gut. Nichts ändern wird sich vermutlich an meiner Ironie und meinem Sarkasmus. Ohne sie ist die gefühlte Ohnmacht nur schwer zu ertragen. Die Lage ist zu ernst, um ernst zu bleiben.

Wie einleitend erwähnt entzieht sich der Lauf der Dinge unserem Willen und Wollen. Zumindest jenen von uns, die nicht an den Schalthebeln der Macht sitzen. Selbst in unserer hochgerühmten direkten Demokratie, in der wir sogar über das Tragen von Kuhhörnern abstimmen können, gewinnt in aller Regel jene Seite mit dem grösseren Geldbeutel. Wer behauptet das Stimmvolk liesse sich nicht kaufen, könnte sich folglich – würde er selber an seine Behauptung glauben – jeden Franken für Wahlplakate und Abstimmungsparolen sparen. Die derzeit anstehende 99%-Prozentinitiative der Juso – die notabene nichts anders als eine faire Besteuerung von Kapitaleinkünften will (also Aktiengewinne, Mieten, Firmenverkäufe etc) – wird nicht scheitern, weil sie nicht in unser aller Interesse wäre, sondern weil sie mit Lügenpropaganda, Angstmacherei und Mythen und Märchen zu Grabe getragen wird. Auf eine Gegenwette verzichte ich.

Wer, wie ich, seit 50 Jahren praktisch an jedem Abstimmungssonntag eine Niederlage zu verdauen hat, kann natürlich resignieren. Eine durchaus bewährte Ausrede um nichts zu tun. In guter Gesellschaft mit Ignoranz, Egoismus und Gleichgültigkeit, der sichere Weg in den Kollpas. Denn gleich aus welchen Gründen wir die Karre in den Dreck fahren oder dort belassen, Probleme lösen sich nicht von selber. Im Gegenteil. Die aktuellen Krisen führen uns gnadenlos vor Augen, was nichts tun bedeutet. Die Probleme häufen und verschärfen sich.

Also weiter machen. Jede:r wie er/sie kann und mag.

Nehmen wir als Beispiel die nächste Corona-Welle, die sich wegen der mangelnden Impfbereitschaft, mit einer wöchentlichen Verdoppelung der Fallzahlen gerade ankündigt. Statt energisch dagegen zu halten, scheinen die Behörden aus Angst vor den finanziellen Folgen und den Hütern tiefer Steuern, sekundiert von den treichelnden Schreihälsen, zu kapitulieren und lassen es schleifen. In seltener Nonchalance heisst es darum, wer sich nicht impfen lässt, kann sich nicht mehr auf staatliche Massnahmen verlassen. Einverstanden. Wenn es denn nur die Ungeimpften träfe. Leider aber können die unter 12-jährigen immer noch nicht geimpft werden und werden so dem Virus quasi zum Frass vorgeworfen. Die Chance, dass sich das Virus bis zur Impfresistenz durchmutiert steht bereits drohend im Raum. Weshalb nicht endlich ehrlich und mutig ein Impfobligatorium verfügen (das Epidemiegesetz macht es möglich)? Zwar wäre der Aufschrei gross, der Schaden aber unendlich viel kleiner, als der, der praktizierten Durchwurstelpolitik. Wie uns die Natur lehrt, verhandelt sie nicht. Weder mit Banausen noch Taktierern. Was hilft, ist sie zu verstehen und ihr mit den eigenen Waffen ein Schnippchen zu schlagen. Kräutertee, viel frische Luft und beten stärkt vielleicht die Seele und gibt ein gutes Gefühl, helfen tut einzig das Impfen (oder vielleicht einmal ein Medikament). Wir können es freiwillig tun, unter Zwang oder aber auf die harte Tour. Objektiv gesehen aber haben wir keine Wahl. Die Natur wird siegen – so oder so.

Nehmen wir das Klima. Wir können noch so viele Gesetze versenken, das Klima kümmert es nicht. Es gehorcht einzige der Physik, die im Falle von CO2 besagt, dass dieses Gas die Wärme in der Erdatmosphäre hält. Glück und Pech zugleich. Den ohne diesen Effekt schlotterten wir bei durchschnittlich minus 18 Grad; mit zu viel davon, droht uns ein Glutofen. Nicht irgendwann. Jetzt. In Kanada waren es 49,7, in Sizilien gerade 48,8 Grad. Und selbstverständlich sind dies Extreme, so wenig wie die Überflutungen in Deutschland oder die Waldbrände am Mittelmeer, ursächlich dem Klimawandel zuzuordnen. Schmelzende Gletscher, die Statistik und das eigene Empfinden lassen allerdings keinen Zweifel offen. Wir befinden uns am Beginn einer Katastrophe. Es wäre also an der Zeit dagegen zu halten. Wäre es! Zu hören bekommen wir dafür laue Absichtserklärungen (nur ja niemandem weh tun – aktuelle der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative), Nebelpetarden (Atomkraftwerke sollen es richten – bis diese gebaut sind, müssen wir die Wohnungen vermutlich auch im Winter kühlen), Greenwashing (man tut so, als würde man etwas tun – zum Beispiel CO2-Kompensation im Ausland), usw. Solange wir, bzw. die Politik:er:innen nicht begreifen (wollen), dass wir es mit einer existentiellen Krise zu tun haben, nähern wir uns dem Abgrund. Das genaue Datum wurde uns zwar noch nicht bekannt gegeben, vielleicht haben wir es aber auch nur verpennt.

Nichts Neues also. Alles bekannt, alles wie gehabt, nur etwas mehr davon. Während die einen auf ein Wunder namens „Normalisierung“ hoffen (das Synonym für zurück zu den alten Tagen), resignieren die andern. Nur vor dem Kollaps sind alle gleich. Wären da nicht die Überlebenswilligen, wie z.B. die Klimajugend oder die unzähligen Bewegungen und Aktionsbündnisse zur Rettung von Walen bis hin zu Flüchtlingen aus dem Mittelmeer, der Rettung des Amazonas, der Hilfe vor Ort für die Ärmsten usw. stünde die Welt auf verlorenem Posten. Es bleibt einzig die Frage, ob diesmal die Zeit reicht die Titanic am Eisberg vorbei zu manövrieren. Die Mittel dazu hätten. Mittlerweile können wir Eisberge aus dem Weltall beobachten. Ignorieren wir dieses Wissen weiterhin, so müssen wir uns über den weiteren Verlauf nicht wundern. James Cameron hat uns 1997 epische Bilder und eine rührende Geschichte dazu geliefert. Ob Rose diesmal das „Herz des Ozeans“ (der blaue Diamant im o.g. Film) retten kann, muss allerdings offen bleiben – ich fürchte eher, sie säuft diesmal zusammen mit Jack gleich mit ab.

Alles viel zu pessimistisch?

Vielleicht. Wer kann schon in die Zukunft schauen? Bekanntlich sind Prognosen, die Zukunft betreffend, schwierig oder gar unmöglich. Das trifft für unerwartete Lebensereignisse mit Bestimmtheit zu, nicht aber für Ereignisse mit Ankündigung. Und genau um solche handelt es sich bei den ob genannten Beispielen. Wir wissen genug über das Verhalten von Viren, wir kennen die physikalischen Gesetzmässigkeiten in fast allen Details und wir kennen die Geschichte. Wer also meint wir wären dem Schicksal hilflos ausgeliefert, lügt, ist nicht richtig informiert oder will ganz einfach nichts ändern. Wir können etwas tun. Wir müssen nicht mal etwas erfinden. Der Ausstieg aus der fossilen Energie ist vorgezeichnet – wir müssen nur die entsprechenden Vorgaben (Regeln/Gesetze) beschliessen. Seuchen lassen sich mit impfen oder Medikamenten bekämpfen – wir müssen es nur wollen. Unser Verhältnis zu unserem wichtigsten Handelspartner (EU) lässt sich regeln – wir müssen nur vom hohen Ross steigen und die Flüchtlingskrise an den Grenzen lässt sich bewältigen – wir müssen nur erkennen, dass wir diese bald dringend brauchen werden (unsere Gesellschaft altert rapide). Dafür und für viele andere Sachen lohnt es sich zu streiten und zu kämpfen. Wer damit aufhört, resigniert oder auf ein Wunder hofft, hat mit Garantie verloren. Nie war die Zeit für einen Aufbruch reifer, wie heute. Denn wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Mein bescheidener Beitrag dazu: Blog schreiben, aufklären, Bewegungen unterstützen (materiell und ideell) – jede:r wie er kann.

PS: Es ist Sommer, es bläst ein lauer Wind, die Sonne scheint und ich geniesse meinen neuen grossen Sonnenschirm, während ich über diesen Zeilen brüte. Es sind oft die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen.

21.05.2021: Keinen Pfifferling wert

Ist etwas wertlos, so ist es keinen Pfifferling wert. So will es der Volksmund. Und wie es gerade scheint, herrscht gerade eine Pfifferlingsschwemme. Sie sind noch weniger Wert als sonst – sie werden einem regelrecht nachgeschossen. Aber der Reihe nach.

Letzte Woche kündigte ich für heute den Start einer Trilogie unter dem Titel „Was tun?“ an. Statt immerzu mit den Fingern in Wunden zu stochern und auf böse Buben zu zeigen, sollte für einmal das Positive im Mittelpunkt stehen. Eine Skizze über das Wünschenswerte – ein möglicher Fahrplan für eine lebenswerte Zukunft. Und wie so oft, muss das Wünschenswerte zurückstehen. Die Aktualität fordert ihren Tribut. Denn es droht gerade die Gefahr, dass wir unsere Zukunft, vor allem aber diejenige unserer Kinder und Enkel, für ein paar läppische Rappen verzocken. Wie das?

Liessen die Umfragen vor zwei Wochen, mit einem Ja-Anteil von 64%, noch auf die Annahme des CO2-Gesetzes hoffen, so ist dieser Anteil diese Woche auf magere 50% zusammengeschmolzen. Wie die Gletscher unter der Sommerhitze, schmilzt die Aussicht auf ein Ja dahin. Einmal mehr sieht es so aus, als dass eine millionenschwere Angstkampagne ihr Ziel erreicht. Vergessen das ratifizierte Pariser Klimaabkommen, mit seinen verbindlichen CO2-Zielen, vergessen die Dürresommer, die Klimabewegung und erst recht die Klimaflüchtlinge in Asien und Afrika. Eine drohende Benzinpreiserhöhung von läppischen 12 Rappen (innert 10 Jahren) und netto 100 Franken mehr pro Jahr, genügen um unsere Zukunft aufs Spiel zu setzen. Wer dabei an apokalyptische Wetterkapriolen denkt, liegt nicht ganz falsch, aber davon rede ich nicht. Nein, ich meine damit nicht das Abschmelzen unserer Gletscher, das Verdorren unserer Wälder und Versiegen des Grundwassers – dazu ist der Einfluss dieses Gesetzes aufs Weltklima tatsächlich zu gering. Erstens weil es in vielen Punkten zu lasch ist (Beispiel Flugticketabgabe) und weil es die Kompensation im Ausland zulässt, und zweitens, weil wir das Klima nur gemeinsam (international) „retten“ können. Wir verpassen aber einmal mehr die Ausfahrt in eine lebenswerte Zukunft, nur damit wir weiter mit vollem Tank, Richtung Wand rasen können. Wie dumm muss man dafür sein?

Wäre ich ein Prophet würde ich diese hier noch so gerne präsentieren. Vielleicht ist es ein Glück, dass ich es nicht bin, denn viel Positives käme dabei wohl nicht heraus. Noch weit düsterer als die befürchteten Wetterkapriolen, dürften jedoch die ökonomischen und gesellschaftlichen Konsequenzen sein, wenn wir uns jetzt weigern die richtigen Schritte einzuleiten. Denn eines ist so sicher, wie das Amen in der Kirche – was wir heute nicht tun, kostet morgen das x-fache. Sei es um (vermeidbare) Schäden zu reparieren oder unter Zwang Anpassungen finanzieren zu müssen. Von den erwarteten sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen rede ich nicht mal. Kurz gesagt: Jedes vertane Jahr kostet Milliarden, die wir heute in eine CO2-neutrale Technologie und zukunftsfähige Jobs investieren könnten. Wenn, wie in den letzten Tagen publiziert, selbst die Internationale Energie Agentur den Ausstieg aus dem Erdöl fordert, muss der Wecker wohl schon über der Schmerzgrenze klingeln. Nur Taub-Blinde, wie die $VP, Teile der FDP, Ölscheichs und belogene Stimmbürger:innen haben den Schuss noch nicht gehört. Sie schicken darum lieber weiterhin Milliarden nach Saudi Arabien und Aserbaidschan und meinen wohl e-Cars und Solarstrom wäre nur etwas für grüne Spinner mit schlechtem Gewissen und dickem Portemonnaie. Der „Verzicht“ auf drei Kaffee crème pro Monat (bei 150 lt Benzinverbrauch) sind ihnen für eine lebenswerte Zukunft offensichtlich zu viel und 30 Franken mehr für ein Flugticket nach London lassen den Ruin befürchten. Dass die Rückvergütung via Krankenkasse und der Fördertopf für Innovationen und energetische Massnahmen (z. B. für den Ersatz alter Ölheizungen) nicht erwähnt werden, grenzt schon beinahe an Betrug. Noch bedenklicher ist nur die Tatsache, dass überhaupt nur über Kosten (Geld) gesprochen wird und weder die Zukunft unserer Kinder noch ein intakter Lebensraum eine Rolle zu spielen scheint. Anders gesagt: Die Zukunft ist vielen keinen Pfifferling wert.

Wie die Jugend bei einem allfälligen Nein reagieren wird, weiss ich nicht. Viel hält die Klimajugend – wahrscheinlich zu Recht – nicht von diesem Gesetz. Eine Ablehnung wäre trotzdem ein fatales Signal. Der Vertrauensverlust in Politik und die „Alten“ dürfte noch schwerer zu reparieren sein. Bei harmlosen Schulstreiks am Freitag Nachmittag dürfte es nicht bleiben. Wenn die „Mehrheit“ glaubt ihr gesamtes Versagen auf die zukünftigen Generationen abwälzen zu können, dürfte sie schnell eines Besseren belehrt werden. Sich selber und andere bescheissen, war noch nie wirklich klug.

Und there is one more thing…..https://tagesanzeiger.ch/unglaubliche-30-grad-in-der-arktis-548421991879